Gottesdienste, Religionsunterricht und die Freiheit anderer Überzeugungen

Drei Fragen

Glaubensfreiheit an einer bischöflichen Schule

Eine bischöfliche Schule hat ihr eigenes Profil, zu dem selbstverständlich auch die christliche Überzeugung gehört. So sehr das auf der einen Seite geschätzt wird, entstehen doch auf der anderen Seite auch Fragen:

  • Wie sieht das mit der Religionsfreiheit aus – der Freiheit der eigenen Glaubensüberzeugung?
  • Ist die Freiheit der anderen Konfessionen oder auch Religionen gewährleistet?
  • Ist nicht die Teilnahme am katholischer Religionsunterricht für Schüler und Schülerinnen anderer Religionen ein Widerspruch?
  • Wenn der Religionsunterricht nur durch Vertreter der eigenen Religionen durchgeführt werden darf, geht es dann um Missionierung?
  • Wie sieht es mit der verpflichtende Teilnahme an den christlichen Gottesdiensten aus?

Wenn Du / Sie eine solche Frage haben, suchen Sie am besten das persönliche Gespräch mit der Klassenleitung, der Schulleitung oder dem Religionslehrer / der Religionslehrerin. Oder auch dem Schulseelsorger. An dieser Stelle möchte ich als Schulpfarrer drei Fragen beispielhaft augreifen und beantworten.

Eine erste Frage

Katholischer Religionsunterricht - auch für andere Religionen

An der Fürstenbergschule nehmen alle Schüler und Schülerinnen für die gesamte Schulzeit verpflichtend am Religionsunterricht teil. Dabei können die Eltern bzw. die Schüler:innen nur zwischen dem katholischen und dem evangelischem Religionsunterricht wählen. So wird es im Schulvertrag vereinbart, der bei der Einschulung zwischen den Eltern und dem Bistum geschlossen wird.

Frage: Aber was ist mit den orthodoxen oder nicht-christlichen Schüler:innen, die am katholischen oder evangelischen Religionsunterricht teilnehmen müssen? Ist das mit dem Recht auf Religionsfreiheit vereinbar?

Unter der Voraussetzung, dass der Religionsunterricht sich an die allgemeingültigen Vorgaben für jeden Unterricht hält, ist das tatsächlich kein Problem. Im Unterricht darf das persönliche Bekenntnis und der individuelle Glaube des Schülers keine Rolle spielen. Man kann es auch anders herum formulieren: Die Teilnahme von nicht-katholischen SchülerInnen (und nicht-christlichen oder a-theistischen SchülerInnen) erinnert den Religionsunterricht daran, sich neutral gegenüber dem Bekenntnis der SchülerInnen zu verhalten.
Neutral? Das heißt, dass es im Unterricht um die Darstellung des katholischen Glaubens, der Kirche und der Kirchengeschichte geht, die als solches kennenzulernen ist. Die Kenntnis darüber kann vermittelt, abgerufen und benotet werden; nicht aber die innere Einstellung der SchülerInnen zu dem Vermittelten.

Als Grundlage für die Wahrung der Neutralität den Schülern gegenüber werden oft die drei Grundsätze des Beutelsbacher Konsenses genannt: Dem Schüler darf (1) keine Ansicht aufgezwungen werden (Überwältigungsverbot), der Unterricht muss (2) kontroverse Ansichten zur Sprache bringen und (3) in Inhalt, Methode und Sprache den Fähigkeiten der Schüler angemessen sein. Auch wenn diese Grundsätze zunächst für den Politikunterricht erarbeitet wurden, gelten sie auch für den Religionsunterricht.

Eine zweite Frage

Gottesdienste für alle Schüler und Schülerinnen

An der Fürstenbergschule sind alle SchülerInnen der Unter- und Mittelstufe verpflichtet, an den Gottesdiensten teilzunehmen.

Ist denn nicht da die Grenze zwischen «Wissen über die Religion» und «Annahme der Religion» überschritten?

Natürlich wird den katholischen SchülerInnen bzw. allen Christen mit den Gottesdiensten in der Fürstenbergschule ein spirituelles Angebot gemacht. Das dient natürlich der Innerlichkeit der Mitfeiernden, ganz im Gegensatz zum Religionsunterricht, der innige religiöse Überzeugungen nicht zum Gegenstand haben darf.

Aber dieser Dienst am persönlichen Glauben der Mitfeiernden setzt immer eine freie Zustimmung voraus – bei allen Anwesenden, ob katholisch, evangelisch, nicht-christlich oder atheistisch. Eine Manipulation der Teilnehmer oder Bewerbung des Glaubens verträgt sich weder mit den Grundsätzen der christlichen Religion noch mit den Werten der Fürstenbergschule.

Wer also nicht innerlich mitfeiernd an den Gottesdiensten teilnimmt, ist immer frei, während der Gottesdienste der eigenen Frömmigkeit nachzugehen – oder den Gottesdienste als Anschauungsobjekt christlicher Religionsausübung kennenzulernen. Seine Teilnahme entspricht damit eher der Pflicht der Teilnahme am Unterricht.

Eine dritte Frage

Warum darf der Religionsunterricht nur durch Vertreter der jeweiligen Konfession erteilt werden?

Es steht in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, dass der Religionsunterricht nur durch einen Vertreter der jeweiligen Konfession erteilt werden darf – und das auch erst nach Erteilung der missio canonica, also der Beauftragung durch die jeweilige Glaubensgemeinschaft.

Also dient der Religionsunterricht doch der Vermittlung des Glaubens – und nicht nur des Glaubenswissen, oder?

Nein. Der Staat will – nach den Erfahrung in der Zeit des Nationalsozialismus und in Hinblick auf andere totalitäre Staaten – sicherstellen, dass die Vermittlung der christlichen Werte im Religionsunterricht nicht durch den Staat manipuliert wird. Deshalb trägt der Staat die Erteilung des Religionsunterrichtes nur den Mitgliedern der jeweiligen Konfession auf, über deren Loyalität die jeweilige Konfession, nicht der Staat die Aufsicht hat.

Dem Staat geht es also bei diesem Grundsatz um die Freiheit des Religionsunterrichtes von staatlichem Einfluss, nicht um eine Erlaubnis oder gar Garantie für das Missionswirken der Kirchen.

Durch die Konfessionalität unterscheidet sich der Religionsunterricht vom Fach der Religionskunde. In beiden Fächern soll die jeweilige Religion und Konfession sachgerecht und frei von missionarischen Tendenzen unterrichtet werden. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass der Garant dafür einmal der Staat (bei der Religionskunde) und ein anderes Mal die Konfession selber ist (beim konfessionellen Religionsunterricht).

Mit anderen Worten: Der Staat hat die Freiheit der Religionsvermittlung zu sichern – weshalb nicht er, sondern die Religionsgemeinschaft für die Erteilung zuständig ist (Stichwort: Konfessionalität). Der Religionslehrer dagegen hat die Neutralität den SchülerInnen gegenüber zu wahren (Stichwort: Beutelsbacher Konsens).

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